Im Visier von Regierung und Justiz

Das Wirken der Caricature war den Regierenden bald ein Dorn im Auge. Im April 1831 wurde das Journal als politische Zeitschrift eingestuft und in der Folge mit der Forderung einer hohen Kautionssumme belastet. Bis in das Jahr 1832 hinein versuchte man dann, das Blatt mittels Beschlagnahmungen, Prozessen, Einschüchterungs- und Bestechungsversuchen sowie dem Einsatz von Lockspitzeln zu zähmen. Es kam in dieser Zeit zu 20 Beschlagnahmungen im Verlag Aubert und bei der Caricature, Philipon wurde sechs Mal vor Gericht zitiert und in drei Verhandlungen zu insgesamt dreizehn Monaten Gefängnis und 6000 Francs Geldstrafe verurteilt.

Charles Philipon (1800-1862) und Auguste Desperret (1804-1865): Die Verfassung ist Wirklichkeit ... also ist die Presse vollkommen frei. Pl. 112 aus La Caricature Nr. 56 vom 24.11.1831
Ein Vielzahl von Gewichten, die für Stempelsteuer, Kaution, Prozesse, Geldstrafen, Vorladungen, Beschlagnahmungen und Fälle von Zensur stehen, machen die abgebildete Presse unbrauchbar. Die Lithographie will nicht nur auf die Situation der Caricature, sondern auch auf die Lage anderer Publikationen der linken wie rechten Opposition hinweisen.

Die Periode intensiver Verfolgung ging zu Ende, nachdem Philipon im Juni 1832 endgültig zur Kautionszahlung verpflichtet worden war. Als er Ende 1832 die offizielle Herausgeberschaft abgetreten hatte, in einem siebten Prozeß freigesprochen worden war und im Februar 1833 schließlich auch seine Strafen abgebüßt hatte, wurde es sogar ruhig um die Caricature. 1834 und 1835 kam es jeweils nur zu einer - juristisch folgenlosen - Konfiszierung.
Philipon bemühte sich, den Maßnahmen der Justiz entgegenzuwirken, indem er immer wieder die Öffentlichkeit suchte. Die hohe finanzielle Belastung durch Beschlagnahmungen und Geldstrafen versuchte er mittels Sonderveröffentlichungen und Geldsammlungen zu mindern.

 

Besondere publizistische Wirkung erzählte der Herausgeber der Caricature, als er in einem Prozeß zu seiner Verteidigung das Birnensymbol zur Darstellung Louis-Philippes erfand.

 

 

Charles Philipon (1800-1862): Die Birnenskizzen, Beilage zu La Caricature Nr. 65 vom 26.1.1832

Skizzen, die während der Gerichtsverhandlung vom 14. November angefertigt wurden (Schwurgericht).
Wenn Sie, um den König in einer Karikatur wiederzuerkennen, nicht erwarten, daß er anders als durch Ähnlichkeit gekennzeichnet sei, geraten Sie ins Absurde. Sehen Sie diese ungestalten Skizzen, auf die ich meine Verteidigung vielleicht hätte beschränken sollen:
Diese Skizze ähnelt Louis-Philippe, Sie werden Sie also verurteilen? Folglich werden Sie diese hier, die der ersten ähnelt, auch verurteilen müssen. Dann verurteilen Sie nur auch diese andere, die der zweiten ähnelt ... Und schließlich könnten Sie, wenn Sie konsequent sind, diese Birne, die den vorausgegangenen Skizzen gleicht, nicht freisprechen. Das heißt, für eine Birne, eine Brioche, für alle grotesken Köpfe, in die der Zufall oder die Bosheit eine traurige Ähnlichkeit einfügen werden, werden Sie dem Urheber fünf Jahre Gefängnis und 5000 Francs Geldstrafe auferlegen können?? Geben Sie zu, meine Herren, daß das eine einzigartige Pressefreiheit ist. (Prozeß der Zeitschrift La Caricature) Ch. Philipon.

 

Philipon bezog sich in seiner Argumentation auf den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, daß mit den inkriminierten Karikaturen der Tatbestand der Majestätsbeleidigung erfüllt sei, weil die jeweils im Mittelpunkt der Kritik stehende Person Louis-Philippe ähnele. Er behauptete, die Karikaturisten benutzten die Gestalt des Monarchen nur, um den abstrakten Begriff der Staatsmacht darzustellen. Um die Darlegung der Staatsanwaltschaft ad absurdum zu führen, legte er die Birnenskizzen vor. Er verlor jedoch den Prozeß und wurde zu sechs Monaten Gefängnis und 2000 Francs Geldstrafe verurteilt.